Ohne Einzelfallbetrachtung geht es nicht – Arbeitsrecht: Auf was Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu achten haben

Die meisten von uns verbringen einen großen Teil ihrer Zeit bei der Arbeit. Daher stellen sich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis viele Fragen, die nicht immer ganz einfach zu beantworten sind. Wir versuchen Antworten zu geben.

Darf der Arbeitgeber kündigen, wenn der Arbeitnehmer »vergisst« seine Abwesenheit – zum Beispiel wegen Krankheit – rechtzeitig anzuzeigen?

Wie bei rechtlichen Fragen oft, kommt drauf an. Hier muss – wie bei vielen Situationen – der Einzelfall geprüft werden. Handelt es sich um einen Wiederholungsfall, ist der Arbeitnehmer wegen des gleichen Fehlverhaltens schon einmal abgemahnt worden? Und welche Auswirkungen hat die Abwesenheit auf die betrieblichen Abläufe?

Wurde der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits wegen des gleichen Fehlverhaltens abgemahnt, dann handelt es sich automatisch um einen Wiederholungsfall. In diesem Fall kann auch eine Kündigung ausgesprochen werden.

Handelt es sich um einen Wiederholungsfall, wurde aber noch keine Abmahnung ausgesprochen, ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer wurde noch nicht auf sein Fehlverhalten und die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen hingewiesen, damit ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt. Dem Arbeitnehmer muss zumindest die Gelegenheit gegeben werden sein Verhalten zu ändern. Für den Arbeitgeber ist wichtig, dass zwischen einer Abmahnung und einer möglichen Kündigung zumindest eine Zeitspanne liegt, in der der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, sein Verhalten zu ändern. Sind durch das unentschuldigte Fernbleiben die betrieblichen Abläufe deutlich beeinträchtigt – können zum Beispiel keine Rechnungen erstellt oder bezahlt werden – ist gegebenenfalls auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Hat der Arbeitnehmer aber seine Arbeitsunfähigkeit nur zu spät angezeigt, ist eine Kündigung regelmäßig nicht gerechtfertigt. Kann der Arbeitgeber eine Rückzahlung von zu viel gezahltem Lohn verlangen? Leider lautet auch hier die Antwort: »Es kommt drauf an«. Grundsätzlich besteht gegenüber demjenigen, der zu Unrecht eine Zahlung erhalten hat, ein Anspruch auf Rückzahlung. Also hat der Arbeitgeber eigentlich einen Anspruch auf Rückzahlung gegen den Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet seine Gehaltsabrechnung zu überprüfen. Wenn also der Arbeitnehmer eine höhere Zahlung bekommt als ihm zusteht und er dieses Geld dann ausgibt, kann er sich eventuell auf »Entreicherung« berufen. Im Ergebnis müsste er dann keine Rückzahlung leisten. Da hier noch einige weitere Details zu prüfen sind, sollten sich Betroffene von einem Anwalt beraten lassen. Der Arbeitgeber hat auch dann keinen Anspruch auf Rückzahlung, wenn er bereits bei der Veranlassung der Zahlung wusste, dass der Arbeitnehmer eine Zahlung erhält, auf die er eigentlich keinen Anspruch hat.

Kann der Arbeitgeber den  Arbeitnehmer zu einer Fortbildung zwingen? Eine Fortbildungsverpflichtung, die der Arbeitgeber im Zweifel auch durchsetzen kann, besteht nur dann, wenn es eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag gibt oder der Arbeitnehmer einen Beruf ausübt, in welchem zwingend an Fortbildungen teilgenommen werden muss. Sofern der Arbeitgeber eine Fortbildungsmaßnahme am Wochenende durchführen möchte, darf der Arbeitnehmer der Maßnahme fernbleiben, wenn private Gründe entgegen stehen, zum Beispiel Familienfeiern. Generell aber ist die Teilnahme an Fortbildungen selbstverständlich auch im Interesse des Arbeitnehmers – somit sollte eine für beide Seiten gangbare Einigung angestrebt und gefunden werden. Verfällt der Urlaub tatsächlich am Jahresende? Diese Frage muss seit dem 19. Februar 2019 mit dem Hinweis »nicht immer« beantwortet werden. An diesem Tag hat das BAG (9 AZR 541/15) entschieden, dass Urlaub am Ende des Urlaubsjahres nur dann verfällt, wenn dem Arbeitnehmer zuvor ein deutlicher Hinweis dahingehend erteilt wurde. Zusätzlich muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufzeigen, wann der noch bestehende Urlaub in Anspruch genommen werden kann. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, soll der Urlaub auch tatsächlich verfallen. Arbeitgeber müssen also, wenn sie einen Verfall des Urlaubsanspruches herbeiführen wollen, künftig die Arbeitnehmer mit einem deutlichen Hinweis auf den möglichen Verfall des Urlaubes hinweisen und zusätzlich aufzeigen, wann der noch bestehende Urlaub in Anspruch genommen werden kann. Der komplette Vorgang muss natürlich dokumentiert werden, um später nachweisen zu können, dass der Arbeitgeber gesetzeskonform gehandelt hat, oder nicht. Für alle Arbeitnehmer bedeutet die neue Rechtsprechung im Umkehrschluss, dass sie ihren Urlaub künftig unter Umständen auch nach Ablauf des Urlaubsjahres noch in Anspruch nehmen können. Ist die Teilnahme am Personalgespräch zwingend? Muss der Arbeitnehmer an einem Personalgespräch teilnehmen? Auch hier gilt wieder: »Kommt drauf an.« Handelt es sich um ein Personalgespräch zu allgemeinen Themen, dann muss der Arbeitnehmer in jedem Fall teilnehmen. Tut er das nicht, kann das als Arbeitsverweigerung gewertet werden und im schlimmsten Fall zu einer Kündigung führen. Handelt es sich um ein Personalgespräch, in dem über die Veränderung der Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers gesprochen werden soll, muss der Arbeitnehmer nicht zwingend teilnehmen. Hier geht es gegebenfalls um Themen, die der Arbeitgeber auch im Wege der Änderungskündigung durchsetzen kann. Ist ein Personalgespräch während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers angesetzt, so muss der Arbeitnehmer in der Regel nicht teilnehmen. Eine Verpflichtung zur Teilnahme besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer Spezialwissen hat, auf das der Arbeitgeber zur weiteren Bearbeitung zwingend angewiesen ist. Die Ausführungen machen deutlich, dass es im Arbeitsrecht auf viele wichtige Details ankommt, die Arbeitnehmern verständlicherweise nicht bekannt sind. Im Zweifel, und um eine unnötige »Verhärtung der Fronten« zu vermeiden, sollten sie Rat beim Anwalt suchen.

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