Nachlass planen und Pflichtteilsansprüche nicht außer Acht lassen

Wenn von der gesetzlichen Erbfolge durch ein Testament oder ein Erbvertrag abgewichen wird, müssen die Pflichtteilsansprüche, also die gesetzlich genannten Mindestbeteiligungen des Ehegatten und der nächsten Verwandten, berücksichtigt werden.

 

Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge – Kinder, Enkel, Urenkel – die Eltern sowie der Ehegatte, es sei denn, dass beim Erbfall die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat. Pflichtteilsberechtigte Kinder schließen die Enkel und Eltern vom Pflichtteilsrecht aus.

 

Ausschlagung Erbschaft und Pflichtteil
Die Ausschlagung der Erbschaft und die Geltendmachung des Pflichtteils kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein. Der eingesetzte Erbe muss vom Erblasser im Testament oder Erbvertrag verfügte Einschränkungen – zum Beispiel Testamentsvollstreckung – nicht gegen sich gelten lassen, wenn er die Erbschaft ausschlägt und seinen Pflichtteil fordert. Bei Anordnung der Vor- und Nacherbfolge erlangt der Nacherbe bei Ausschlagung der Nacherbschaft sofort den Pflichtteil, einen Geldanspruch, und muss nicht den Nacherbfall abwarten. Der länger lebende Ehegatte kann beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Erbschaft ausschlagen, den Ausgleich des Zugewinns und daneben seinen Pflichtteil verlangen und sich gegebenenfalls damit finanziell besserstellen.

 

Höhe des Pflichtteils
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er folgt aus der Pflichtteilsquote und dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Zur Festlegung der Quote wird auch berücksichtigt, wer wegen Enterbung, Ausschlagung der Erbschaft oder Erbunwürdigkeit nicht Erbe geworden ist. Auch wer auf seinen Pflichtteil verzichtet hat, wird bei der Berechnung berücksichtigt, nicht aber mitgezählt wird, wer auf den Erbteil verzichtet hat. Maßgebend für die Bewertung des Nachlasses ist grundsätzlich der Verkaufswert (Verkehrswert) des jeweiligen Nachlassgegenstandes. Hat der Erblasser zu Lebzeiten einem Dritten eine Schenkung übertragen, kann der Pflichtteilsberechtigte Ergänzung seines Pflichtteils verlangen. Das ist der Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der Wert des Geschenkes dem tatsächlichen Nachlass fiktiv zugerechnet wird. Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jeden weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt. Wenn zur Zeit des Erbfalls
zehn Jahre verstrichen sind, bleiben die Schenkungen unberücksichtigt. Maßgebend für den Beginn der Frist ist, dass die Schenkung endgültig aus dem wirtschaftlichen Vermögensbereich des Erblassers ausgegliedert wird – zum Beispiel bei Geldbeträgen mit der Gutschrift auf dem Konto des Beschenkten; bei Grundstücken mit Umschreibung im Grundbuch ohne Vorbehalt von Nutzungsrechten. Bei Ehegatten gelten Besonderheiten, die es zu beachten gibt. Schenkungen gegenüber Ehegatten unterliegen grundsätzlich der Pflichtteilsergänzung.

 

Gegen wen richtet sich der Pflichtteilsanspruch und wie wird er eingefordert?
Der Pflichtteilsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen den oder die Erben. Er kann sowohl gegen einzelne als auch alle Miterben geltend gemacht werden. Vermächtnisnehmer haften nicht. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, der konkret beziffert werden muss. Hierzu kann der Pflichtteilsberechtigte vorab umfangreiche Auskunft zum Nachlass verlangen. Zudem besteht die Möglichkeit, einen Sachverständigen für die Wertermittlung einzelner Nachlassgegenstände, wie beispielsweise Immobilien, hinzuzuziehen. Weigert sich der Erbe Auskunft zu erteilen oder den Pflichtteil auszubezahlen, sollte dieser vor Gericht eingeklagt werden. Bei Erfolg sind die dabei anfallenden Kosten vom Erben zu tragen. Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt nach drei Jahren. Dazu muss der Pflichtteilsberechtigte jedoch vom Erbfall und seiner Enterbung wissen. Ohne diese Kenntnis kann sich die Verjährung auf 30 Jahre verlängern.

 

Entziehung Pflichtteil
In Ausnahmefällen kann dem Pflichtteilsberechtigten der Pflichtteilsanspruch entzogen werden. Der Grund für die Entziehung muss im Testament oder Erbvertrag konkret dargelegt werden. Ein Grund für die Entziehung des Pflichtteils wäre zum Beispiel, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser nach dem Leben getrachtet oder sonst gegenüber dem Erblasser eine schwere Straftat begangen hat.

 

Pflichtteilsverzichtsvertrag
Pflichtteilsberechtigte können – ebenso wie gesetzliche Erben – auf ihr Erbrecht durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihren Pflichtteil verzichten. Pflichtteilsverzichtsverträge müssen notariell beurkundet sein und können auch mit anderen Verträgen, zum Beispiel einem Erbvertrag, verbunden sein. Ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht umfasst automatisch auch das Pflichtteilsrecht, kann aber auch auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Häufig erfolgt ein Erb- und Pflichtteilsverzicht als Gegenleistung für Zuwendungen im Wege der vorweggenommene Erbfolge.

 

Autorin: Lisa-Katharina Köster, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht und Testamentsvollstreckerin, Kanzlei77 – Kanzlei Dr. Braun GmbH, Spitalstr. 2a, 77652 Offenburg

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