Kavaliersdelikt oder doch ein Kündigungsgrund?

Viele von uns kennen die Situation, eine Runde ist zusammen und einer der Teilnehmer tut oder sagt etwas, was der ein oder andere doch etwas peinlich oder sogar unmöglich findet. Solche Situationen gibt es natürlich nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch in der Arbeitswelt. Der eine findet vielleicht gar nichts dabei, ein anderer Kollege aber denkt, dass war‘s, der oder dem gehört endlich gekündigt.

 

Das Streichen über den Po der Kollegin

 

Was früher vielleicht für manch einen zum „guten Ton“ gehörte, stellt heute einen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Die Berührung des Pos einer Kollegin stellt noch dazu, wenn wie im Fall des LAG Schleswig-Holstein, 2 Sa 235/15 vom 10.11.2015 über den Po der Kollegin gestreichelt wird, einen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Der Mitarbeiter hatte seine Kollegin umarmt und ihr dann über den Rücken bis zum Po gestrichen. Aus Sicht der Richter stellt dieses Verhalten einen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Also Finger weg vom Po der Kollegin oder des Kollegen, sonst droht eine fristlose Kündigung.

 

Die „zufällige“ Berührung von Brüsten

 

Auch hier stellt sich die Frage, ob das zufällige Berühren von Brüsten eine unter Umständen sogar fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Ja, meint zumindest das Arbeitsgericht Berlin in seinem Urteil vom 06.09.2023, 22 Ca 1097/23. Der Mitarbeiter hatte einer Kollegin zunächst eine Massage angeboten und dazu deren Oberteil nach oben geschoben und anschließend den BH geöffnet. Sodann kam es zu einer Berührung der Brüste der Kollegin. Der Mitarbeiter teilte mit, diese Berührung sei zufällig gewesen, als sich die Kollegin bei der Massage plötzlich und ruckartig umgedreht hat. Weder der Arbeitgeber noch das Arbeitsgericht haben dem Kläger in diesem Fall geglaubt. Die von dem Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung war wirksam und der Kläger seinen Job los. Also auch hier gilt, Hände weg von den Brüsten der Kollegen.

 

Der Griff in den Genitalbereich

 

Der Kläger hat einem Kollegen in den Intimbereich gefasst und geäußert: Der hat „dicke Eier“. Nachdem der Kollege dies dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, erhielt der Kläger eine fristlose Kündigung. Der Kläger ging davon aus, dass er dem Kollegen nur an den Hintern gefasst habe und selbst wenn er in den Intimbereich gefasst hätte, eine Kündigung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Das BAG sah dies in seinem Urteil vom 29.06.2017, 2 AZR 302/16 ein bisschen anders. Nach dem BAG ist eine fristlose Kündigung auch dann gerechtfertigt, wenn der Griff in den Intimbereich nicht sexuell motiviert ist, da der Griff an sich einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung darstellt.
Fazit: Es ist also klar, egal aus welchen Gründen ein Kollege berührt wird, wenn es an der falschen Stelle passiert, kann ganz schnell der Job weg sein. Daher lieber die Hände immer schön da lassen, wo sie hingehören. Wie sieht es aber aus, wenn man zwar die Hände da lässt, wo sie sein sollen, aber das Mundwerk etwas zu lose ist?

 

Bezeichnung einer Kollegin als „blöde Kuh“

 

Die Klägerin hat ihre Kollegin als „blöde Kuh“ und „dreckige Diebin“ bezeichnet. Nach Ansicht des LAG Mainz mit Urteil vom 19.02.2014 – 4 Sa 245/13 genügt das für eine fristlose Kündigung. Das LAG hat in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass die Äußerungen der Klägerin nach seiner Auffassung einen grob beleidigenden und ehrverletzenden Inhalt haben, der nach der allgemeinen Auffassung ausreicht, eine fristlose Kündigung zu begründen. Die Klägerin ist ihren Job also los.

 

Bestellung eines „Negerkusses“ in der Betriebskantine

 

Der Kläger hat in der Betriebskantine des Arbeitgebers bei einer dunkelhäutigen Mitarbeiterin laut hörbar einen Negerkuss bestellt, da es sich bei der Bestellung nicht um den ersten Vorfall dieser Art gehandelt hat, hat der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Zu Unrecht, wie das ArbG Frankfurt in seinem Urteil vom 03.07.2016,15 Ca 1744/16 fand. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass hier zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müsste und erst, wenn die nicht zu einer Verhaltensänderung führt, eine Kündigung in Betracht kommt. Außerdem war das Gericht der Auffassung, dass die Bezeichnung „Negerkuss“ für ein eben solches Nahrungsmittel in der Bevölkerung durchaus noch üblich ist.

 

Fazit: Jeder Fall ist anders und muss auch genauso betrachtet werden, aber manches, was früher vielleicht niemanden gestört hat, geht heutzutage einfach nicht mehr.

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Winter, Rechtsanwalt – Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei77 – Kanzlei Dr. Braun GmbH, Spitalstr. 2a, 77652 Offenburg

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