Arbeitsrecht: Können Beleidigungen zu (fristlosen) Kündigungen führen?

Du A …(!) hat nicht in jeder Branche Konsequenzen

Dass eine Beleidigung des Arbeitsgebers, eines Vorgesetzten, einer Kollegin oder eine Herabwürdigung des Betriebes zu einer Kündigung führen kann, ist sicher den meisten bekannt. Ob eine solche Kündigung dann auch tatsächlich einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde, ist eine andere Frage.

Neben der Frage nach der Art der Beleidigung müssen noch weitere Fragen geklärt werden. In welcher Branche wird die Tätigkeit ausgeübt und wem gegenüber wurde die Beleidigung ausgesprochen? Dann muss noch weiter geklärt werden, ob es sich eventuell um eine einmalige, ungeplante Äußerung gehandelt hat. Zuletzt kann auch die Frage entscheidend sein, in welchem Rahmen die Beleidigung ausgesprochen wurde. Es macht unter Umständen einen erheblichen Unterschied, ob die Beleidigung „nur“ gegenüber einem Dritten, zum Beispiel per MessengerChat/WhatsApp, oder direkt gegenüber dem Beleidigten ausgesprochen wurde.

Art der Beleidigung: Bei der Frage, ob eine Beleidigung an sich einen Kündigungsgrund darstellt, handelt es sich auch immer um eine Wertungsfrage. Hier können – je nach Gericht – unterschiedliche Entscheidungen ergehen.

Vergleiche des Arbeitgebers mit dem Dritten Reich führen häufig zum berechtigten Ausspruch einer fristlosen Kündigung. So hat das hessisches Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden, dass die Aussage über den Arbeitgeber „… da komme ich mir vor wie im Dritten Reich“ eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Urteil vom 4.9.2010, 3 Sa 243/10.

Das LAG Niedersachsen hingegen hat mit Urteil vom 10.7.2016, 17 Sa 201/2006  entschieden, dass eine Bezeichnung des Vorgesetzten als „Drecksau, Schwein und Nazischwein“ keinen ausreichenden Kündigungsgrund darstellt. Das LAG ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Beleidigungen nicht einmal eine ordentliche Kündigung getragen hätten. Vielmehr hätte der Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt werden müssen.

Festzuhalten bleibt: Je schwerwiegender die Beleidigung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine (fristlose) Kündigung auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

☛ Manche Berufszweige sind etwas „härter“: So abgedroschen es klingen mag – die Beleidigung, beziehungsweise die Frage, ob eine ausgesprochene Beleidigung zu einer Kündigung berechtigt, hängt nicht ganz unwesentlich davon ab, in welcher Branche der Sachverhalt spielt.

So sind Beleidigungen, egal welcher Art, in Produktionsbetrieben oder im Baugewerbe sicher häufiger anzutreffen als etwa in einer Bank. Was in der einen Branche als durchaus tolerabel angesehen wird, kann in der anderen zu einer (fristlosen) Kündigung führen. So würde im Baugewerbe vermutlich kaum ein Arbeitgeber mit dem Gedanken einer Kündigung, noch dazu einer fristlosen, spielen, wenn ein Mitarbeiter den anderen als Drecksau bezeichnet.

In einer Bank würde eine solche Beleidigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Ausspruch einer dann eventuell auch berechtigten (fristlosen) Kündigung führen.

In welcher Situation wurde die Beleidigung ausgesprochen und was spricht für den Arbeitnehmer? Auch diese Aspekte sind bei einer möglichen Kündigung zu berücksichtigen. So kann eine emotional aufgeheizte Stimmung eher zum Ausspruch einer Beleidigung führen. Hat sich der Arbeitnehmer gerade über seinen Kollegen geärgert oder hat es einen Streit gegeben? In solchen Situationen kann es schnell einmal zu einer Beleidigung kommen, die dann aber nicht zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen würde.

Natürlich muss der Arbeitgeber auch solche Beleidigungen nicht ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen hinnehmen. Hier ist dann eher der Ausspruch einer Abmahnung gerechtfertigt. Ebenso, wenn es sich um eine einmalige Beleidigung handelt, die an sich nicht besonders schwerwiegend ist.

Aber: Wiederholte Beleidigungen, auch solche, die an sich nicht besonders schwerwiegend sind, können in der Summe dann eben doch zum berechtigten Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung führen.

Zusätzlich muss in eine sogenannten Interessenabwägung herausgefunden werden, welche weiteren Aspekte für den Arbeitnehmer sprechen. Ein erst seit kurzem beschäftigter Arbeitnehmer genießt hierbei nicht denselben Schutz wie ein langjährig Beschäftigter.

In welchem Rahmen wurde die Beleidigung ausgesprochen? Beleidigungen die direkt gegenüber dem Beleidigten, zum Beispiel bei einer Herabwürdigung des Arbeitgebers gegenüber dem Geschäftsführer, ausgesprochen werden, berechtigen eher zum Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung. Beleidigungen die gegenüber Dritten ausgesprochen werden, möglicherweise auch noch per Chat oder über ähnliche Kanäle, berechtigen den Arbeitgeber erst bei schwerwiegenden Beleidigungen zum Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der Beleidigende sich beim Ausspruch seiner Beleidigung auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, also auf den Umstand der Vertraulichkeit berufen kann.

So sieht es jedenfalls das Bundesarbeitsgericht (BAG). Wenn der Beleidigende davon ausgehen durfte, dass seine Äußerungen nicht weitergetragen werden, dann ist der Arbeitgeber auch nicht zum Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung berechtigt, BAG 10.12.2009 2 AZR 534/08.

Sind aber die Beleidigungen derart schwerwiegend, dass der Gesprächspartner in Gewissenskonflikte gerät und der Beleidigende damit rechnen muss, dass sich sein Gesprächspartner offenbaren wird, kann er sich nicht auf die Vertraulichkeit seiner Worte berufen und muss auch in solchen Konstellationen (2-Chat), mit einer fristlosen Kündigung rechnen die einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Aus Sicht des Arbeitgebers ist die Beurteilung ob und ab wann einer Beleidigung zur einer Kündigung berechtigt durchaus nicht unproblematisch. Überprüfung und Entscheidung sollten erfolgen, um nicht bei den Beschäftigten den Eindruck zu erwecken, man nehme alles hin. Aus Arbeitnehmersicht empfiehlt es sich ebenfalls eine Kündigung, die auf eine Beleidigung gestützt ist, einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. In beiden Fällen stehen versierte Anwälte zur Verfügung.

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