Wenn sich die Eltern die Erziehung weiter teilen wollen

Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2016 in Deutschland 162.397 Ehen geschieden. Gut die Hälfte der geschiedenen Ehepaare hatte minderjährige Kinder und von diesen wiederum hatten 52,4 % nur ein minderjähriges Kind. Insgesamt waren von der Scheidung ihrer Eltern im Jahr 2016 knapp 132.000 Kinder unter 18 Jahren betroffen.

Erfreulich ist, dass sich immer häufiger beide Elternteile in die Betreuung der Kinder einbringen möchten.

Noch vor einigen Jahren war das klassische Residenzmodell die Betreuungsform erster Wahl.

Dies bedeutet, dass die Kinder bei einem Elternteil, meistens bei demjenigen, welcher sich auch bisher um den Haushalt und die Familie gekümmert hat, ihren Lebensmittelpunkt haben. Mit dem anderen Elternteil pflegen die Kinder möglichst einen regelmäßigen Umgang. Dieser Elternteil, oftmals der Hauptverdiener, hat als Barunterhaltspflichtiger Kindesunterhalt entsprechend seines Einkommens nach der Düsseldorfer Tabelle an den betreuenden Elternteil zu bezahlen.

Diese Art der Betreuungsform, wird angesichts der häufiger werdenden flexibleren Aufgabenteilung zwischen den Eltern und dem Wunsch, auch nach der Trennung viel Zeit mit dem eigenen Kind verbringen zu können, immer mehr von ausgedehnten Umgangsmodellen bis hin zum paritätischen Wechselmodell abgelöst.

Gemäß BGH ist ein paritätisches Wechselmodell gegeben, wenn jeder Elternteil die Hälfte der Betreuungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. Eine Betreuungsaufteilung von 60 % zu 40% stellt somit kein paritätisches Wechselmodell dar. Hier nimmt die Rechtsprechung zur Berechnung der Unterhaltspflichten das klassische Residenzmodell heran. In diesem Fall kann durch die gesteigerten Betreuungsleistungen des Barunterhaltspflichtigen gegebenenfalls der Kindesunterhalt gemäß Düsseldorfer Tabelle herabgestuft und oder der angemessene Selbstbehalt des Barunterhaltspflichtigen erhöht werden.

Die hälftige Aufteilung der Betreuung, wie es beim Wechselmodell praktiziert wird, ist unter Pädagogen wie auch Richtern nicht ganz unumstritten. Gerade bei Kleinkindern, welche aufgrund ihrer Bindungs- und Betreuungsbedürfnisse eine konstante Betreuung durch möglichst einen Elternteil benötigen, raten Familientherapeuten von einem hälftigen Betreuungsmodell ab. Ein Wechselmodell ist nur für Familien geeignet, bei denen ein konfliktfreies, elterliches Einvernehmen hinsichtlich der Ausgestaltung der Betreuungs- und Unterhaltsregelungen zum Wohle des Kindes gewährleistet ist.

Es wird hier eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern zum Wohle des Kindes vorausgesetzt.

Im Fall des Wechselmodells haben nach der heutigen Rechtslage grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen, obwohl beide Elternteile die hälftige Betreuungsleistung erbringen. Die Rechtsprechung bedient sich hier der Berechnungsmethode entsprechend eines volljährigen Kindes.  Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten wie z.B. Wohnmehrkosten, Fahrtkosten. Hierzu gehören normalerweise nicht die Kosten der Nachmittagsbetreuung, durch welche ein Elternteil seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

Diese Betreuungskosten können nur als Mehraufwand im Zusammenhang mit der Höhe des Kindesunterhalts geltend gemacht werden, wenn die Betreuung einen pädagogischen Hintergrund, wie z.B. bei einer Nachhilfestunde, Hausaufgabenbetreuung oder Kita, nachweisen kann.

Nach Ermittlung des Barbedarfs des Kindes anhand der Düsseldorfer Tabelle wird entsprechend der jeweiligen Einkommensverhältnisse der Elternteile eine Beteiligungsquote berechnet und der besserverdienende Elternteil hat abzüglich des anteiligen Kindergeldes seine Barunterhaltsquote an den anderen Elternteil als Kindesunterhalt zu bezahlen.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten des Wechselmodells im Bezug auf Kindergeldberechtigung, Meldewesen und Sozialleistungen noch nicht umgesetzt hat.

So ist es bisher nur möglich, dass ein Elternteil das gesamte Kindergeld beantragt. Auch das Melderecht kennt nur einen Hauptwohnsitz, § 21 Abs. 1 BMG. Der Hauptwohnsitz kann für den Bezug von Sozialleistungen wie auch für eine Schulanmeldung von Bedeutung sein. Können sich die Eltern über den Hauptwohnsitz nicht einigen, so gibt es hier auch keine rechtliche Möglichkeit, die Änderung gerichtlich geltend zu machen. Gemäß BVerwG ist Hauptwohnsitz der Wohnsitz, an welchem das Kind zum Zeitpunkt der Trennung gemeldet war.

Um Streitigkeiten zu vermeiden und auch für  Beweiszwecke gegenüber den Behörden, ist zu empfehlen, dass die Eltern durch eine schriftliche Vereinbarung, Regelungen hinsichtlich des Hauptwohnsitzes sowie über den Kindergeldbezug und über die Verteilung des Kindergeldes treffen.

Eine Vereinbarung ist auch für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, d.h. für die Beantragung der Steuerklasse II zu empfehlen. Diesen kann beim paritätischen Wechselmodell nämlich nur ein Elternteil beantragen. Gemäß BFH-Urteil vom 28.04.2010, III R 79/08, können die Eltern unabhängig davon, an welchen Berechtigten das Kindergeld ausgezahlt wird, untereinander bestimmen, wem der Entlastungsbetrag zustehen soll. Treffen die Eltern keine Bestimmung über die Zuordnung des Entlastungsbetrags, steht er demjenigen zu, an den das Kindergeld ausgezahlt wird.

Die zunehmende intensive Beteiligung beider Elternteile bei der Kindesbetreuung, stellt den Gesetzgeber wie auch die Gerichte und Behörden vor neue Herausforderungen. Die bisherigen vom BGH entwickelten Berechnungsansätze für das Wechselmodell stehen in der Kritik. Ob auch  zukünftig der Kindesunterhalt beim Wechselmodell anhand der Kriterien für den Unterhalt eines Volljährigen, welcher gerade eben keiner Betreuung durch die Eltern mehr bedarf, ermittelt wird, ist fraglich. Es ist daher davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren mit weiteren Berechnungsmodellen bzgl. des Kindesunterhaltes beim Wechselmodell zu rechnen ist.

PDF öffnen

Zurück zu den News