Von Augenblicksversagen und besonderen Härtefällen

Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten sind die verhängten Geldbußen für den Betroffenen in der Regel zu verkraften. Viel gravierender ist die Verhängung eines Fahrverbotes. Der folgende Artikel erklärt, wann mit einem Fahrverbot gerechnet werden muss, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, sich hiergegen zu verteidigen und ob – trotz des Vorliegens einer entsprechenden Verkehrsordnungswidrigkeit – ein Fahrverbot vermieden werden kann. Wann darf ein Fahrverbot verhängt werden? § 25 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) regelt, dass gegen einen Kraftfahrzeugführer ein Fahrverbot angeordnet werden kann, wenn dieser seine straßenverkehrsrechtlichen Pflichten „grob“ oder „beharrlich“ verletzt hat. Was üblicherweise unter eine solche Pflichtverletzung fällt, wird in der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) und deren Anlage aufgezählt: Die häufigsten Fälle sind hierbei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Hierbei gilt für PkwFahrer, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 25 km/h innerorts oder mehr als 30 km/h außerorts ein Fahrverbot zu verhängen ist. Dabei reicht die Dauer des Fahrverbotes von einem bis zu drei Monaten, je nachdem, wie schnell der Betroffene tatsächlich gefahren ist. Ein Sonderfall sind zwei innerhalb eines Jahres begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von über 25 km/h bis 30 km/h außerorts: In diesem Fall ist ebenfalls ein Regelfahrverbot von einem Monat zu verhängen, § 4 Abs. 2 BKatV. Neben den Geschwindigkeitsverstößen sind vor allem das Fahren über eine rote Ampel, wenn die Rotphase bereits länger als eine Sekunde dauerte und Abstandsverstöße (ab 100 km/h mit einem Abstand von weniger als 3/10 des halben Tachowertes) in der Praxis häufig anzutreffende Fälle, bei denen ein Fahrverbot verhängt wird. Wie läuft das Bußgeldverfahren ab? Nach der Zustellung des Bußgeldbescheides, in dem ein Fahrverbot angeordnet wurde, bleiben dem Betroffenen zwei Wochen, um Einspruch einzulegen. Die Bußgeldbehörde prüft dann den Bescheid nochmals und leitet diesen sodann über die Staatsanwaltschaft an das örtlich zuständige Amtsgericht weiter. Es handelt sich dabei um das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich die Bußgeldbehörde befindet, die den Bescheid erlassen hat, § 68 Abs. 1 OWiG. Das Amtsgericht wird sodann einen Termin zur mündlichen Hauptverhandlung setzen und gegebenenfalls Zeugen laden und andere Beweismittel anfordern – etwa das Messprotokoll des „Blitzers“, oder wenn unklar ist, ob eine Geschwindigkeits- oder Abstandsmessung technisch korrekt war, einen Sachverständigen beauftragen. Auch der Betroffene kann gegenüber dem Gericht entsprechende Beweise vorlegen und beispielsweise Zeugen benennen.

 

Kann von einem Fahrverbot abgesehen werden? Wenn nun feststeht, dass die vorgeworfene Verkehrsordnungswidrigkeit tatsächlich begangen und ein Fahrverbot verhängt wurde, stellt sich die Frage, ob – trotz Vorliegens eines der oben genannten Regelfälle – das Fahrverbot umgangen werden kann.

 

◼ Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn es sich um ein sogenanntes Augenblicksversagen handelt, heißt: Wenn der Betroffene aufgrund einer ungewöhnlichen, plötzlichen oder unklaren Verkehrslage falsch reagiert hat. Gerade bei Rotlichtverstößen, wenn der Betroffene zum Beispiel ortsfremd ist oder wegen einer Baustelle eine Ampelanlage umgesetzt wurde und sich Fahrspuren verändert haben, kann ein Augenblicksversagen gegeben sein. Dies gilt auch für den sogenannten Mitzieheffekt: Wenn der Fahrer auf einer Nebenspur losfährt und man ebenfalls anfährt, obwohl die eigene Ampel noch rot zeigt.

 

◼ Auch kann von einem Fahrverbot abgesehen werden, wenn es für den Betroffenen nicht erforderlich ist. Dann muss aber feststehen, dass die Wirkung des Fahrverbots anderweitig erreicht wird und dass das Fahrverbot im Einzelfall nicht mehr verhältnismäßig wäre. Diese Umstände muss der Betroffene gut begründen und nachweisen. Grundsätzlich nicht berücksichtigt werden hierbei die Umstände des Verstoßes selbst. Es reicht daher nicht aus, wenn zum Beispiel vorgetragen wird, dass zum Zeitpunkt des Verstoßes nur wenig Verkehr geherrscht habe, oder man sei nur knapp über der Geschwindigkeit gefahren, ab welcher ein Fahrverbot fällig wird. Auch ein Geständnis reicht in der Regel nicht aus, von einem Fahrverbot abzusehen.

 

☛ Aber: Bei der erfolgreichen Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Schulung, unmittelbar nach dem Verstoß, kann im Einzelfall auf ein Fahrverbot verzichtet werden.

☛ Wenn das Fahrverbot für den Betroffenen eine ganz besondere Härte bedeutet, beispielsweise bei Berufskraftfahrern, kann im Einzelfall ein Fahrverbot entbehrlich sein. Insbesondere wenn der Betroffene, der beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, das Fahrverbot nicht durch Urlaub überbrücken, nicht anderweitig im Betrieb eingesetzt werden kann und hierdurch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht, kann eine besondere Härte gegeben sein und von einem Fahrverbot abgesehen werden.

☛ Bei Selbstständigen ist ein solcher Fall ebenfalls denkbar, nämlich dann, wenn der Selbstständige zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, um seiner Tätigkeit nachgehen zu können – zum Beispiel als Lieferant von Speisen oder Techniker im Außendienst. Wenn die Bußgeldbehörde oder das Gericht im Einzelfall von einem Fahrverbot absehen, wird dafür das Bußgeld angehoben, meist um das Doppelte bis Dreifache der Regelgeldbuße (§ 4 Abs. 4 BKatV). Wann beginnt das Fahrverbot und kann dieses „geplant“ werden? Das Fahrverbot beginnt, wenn der Betroffene seinen Führerschein in amtliche Verwahrung bringt, also etwa bei der Polizei abgibt, bei der Bußgeldbehörde oder – wenn das Verfahren vor Gericht verhandelt wurde – bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Wichtig ist jedoch, dass das Fahrverbot bereits mit Rechtskraft des Bußgeldbescheides (wenn kein Einspruch eingelegt wird) oder des gerichtlichen Urteils wirksam wird. Der Betroffene darf also in der Zeit zwischen Rechtskraft des Fahrverbotes und der Abgabe des Führerscheins kein Kraftfahrzeug führen, er würde sich sonst des Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar machen. Eine Lockerung beziehungsweise Ausnahme gilt jedoch für „Ersttäter“. Wenn gegen den Betroffenen innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Verkehrsordnungswidrigkeit kein Fahrverbot verhängt wurde und auch in der Zwischenzeit kein weiteres Fahrverbot dazukam, so kann sich der Betroffene bis zu vier Monate Zeit lassen, gerechnet ab dem Tag als das Fahrverbot rechtskräftig wurde, um den Führerschein abzugeben, § 25 Abs. 2a StVG. Das Fahrverbot wird auch erst dann wirksam, wenn der Betroffene den Führerschein innerhalb der Vier-Monatsfrist in amtliche Verwahrung gegeben hat, das heißt: In der Zwischenzeit darf ein Ersttäter noch rechtmäßig mit seinem Fahrzeug fahren. Somit kann ein Fahrverbot geplant und beispielsweise in die Urlaubszeit gelegt werden. Wenn die Verhängung eines Fahrverbotes droht, empfiehlt sich stets die Einholung anwaltlichen Rates, um so zu prüfen, ob rechtliche Bedenken gegen das Fahrverbot vorgebracht werden können oder Argumente für das Absehen von einem Verbot gegeben sind.

 

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