Vererben zu Lebzeiten

Vermögen für die nächste Generation: Vorweggenommene Erbfolge

Die vorweggenommene Erbfolge ist ein Instrument der Nachlassplanung unter anderem neben dem Testament und dem Erbvertrag. Unter der „vorweggenommenen Erbfolge“ versteht man sämtliche Vermögensübertragungen zu Lebzeiten des Erblassers, insbesondere Schenkungen, die in der Erwartung vorgenommen werden, dass der Beschenkte im Erbfall das Vermögen ohnehin erhalten wird. Das Erbrecht des Erwerbers wird sozusagen vorweggenommen und somit vorzeitig erfüllt.

Der Erblasser hat es noch zu Lebzeiten vollständig in der Hand, wer seinen Nachlass erhält und ob mit den Schenkungen mögliche Gegenleistungen verbunden werden sollen.

Die Vorteile und Ziele einer vorweggenommenen Erbfolge sind zahlreich, zum Beispiel:

◼ Erhaltung des Familien- und Betriebsvermögens.

◼ Versorgung des Schenkers und seiner Angehörigen.

◼ Reduzierung der Steuerlast.

◼ Vermeidung eines Sozialhilferegresses im Pflegefall.

Erhaltung des Familien- oder Betriebsvermögens: Grundbesitz oder Unternehmen werden bei Streit unter den Miterben nicht selten zerschlagen. Eine durchdachte, gut strukturierte und mit den möglichen Erben abgesprochene lebzeitige Übertragung auf die nächste Generation kann eine Zersplitterung von solchen Vermögenswerten verhindern und außerdem Streit unter den Angehörigen über die Verteilung des Nachlasses vorbeugen oder gar verhindern.

Versorgung des Schenkers und seiner Angehörigen: Ein häufiges Ziel für die Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten ist, dass der Schenker als „Gegenleistung“ von den Beschenkten für sich Leistungen für die Versorgung im Krankheits- und Pflegefall einfordern und vertraglich absichern kann. Bei einer Pflegeverpflichtung, die der Beschenkte übernimmt, sollte man den Umfang und Inhalt der geschuldeten Pflegeleistung genau definieren.

Reduzierung der Steuerlast: Erbschafts- und Schenkungssteuerliche Überlegungen sind ein tragendes Motiv für eine vorweggenommene Erbfolge. Eine Steuerreduzierung ist nur dann möglich, wenn die Vermögensübertragung rechtzeitig vor dem Erbfall erfolgt, denn die bestehenden Erbschafts- und Schenkungssteuerfreibeträge stehen alle zehn Jahre neu zur Verfügung.

Die Freibeträge bei engeren Familienangehörigen sind enorm, zum Beispiel bei

◼ Ehegatten / Lebenspartnern: 500 000 Euro.

◼ Kinder und Stiefkinder: 400 000 Euro.

◼ Enkeln (wenn die Eltern noch leben): 200 000 Euro.

Vermeidung eines Sozialhilferegresses im Pflegefall: Ein weiterer Beweggrund für eine Weitergabe der Vermögenswerte, insbesondere von Grundbesitz, ist die Angst vor den Kosten, die im Pflegefall entstehen können. Reichen die eigenen finanziellen Mittel nicht aus, um die Pflegekosten zu bezahlen, so besteht die Gefahr, dass staatliche Stellen den Verkauf der eigenen Immobilie, die später den Kindern hätte zufallen sollen, betreiben. Deshalb wird die Immobilie bereits zu Lebzeiten übergeben, um ein Zugriff hierauf zu vermeiden.

Eine derartige Schenkung ist erst nach dem Ablauf von zehn Jahren vor dem Zugriff des Staates gesichert, weshalb eine rechtzeitige Umsetzung zu beachten ist. Nach Ablauf dieses Zeitraums kann der Staat aber immer noch auf Nutzungsrechte zurückgreifen, die sich der Schenkende bei der Übertragung vorbehalten hat. Dementsprechend sollte man hier im Einzelfall genau abwägen und die richtige Gestaltungsvariante wählen.

Gegenleistungen des Beschenkten: Bei der letztwilligen Übertragung von Vermögenswerten werden dem Beschenkten Verpflichtungen auferlegt, die aus Sicht des Erblassers das Ziel haben,

◼ den Schenker und seine Familie für den Alters- und Pflegefall abzusichern,

◼ eine Gleichstellung oder eine Ausgleichspflicht unter mehreren Kindern zu erreichen,

◼ um zu verhindern, dass der Schenkungsgegenstand weiter veräußert oder dem Zugriff eines eventuellen Gläubigers ausgesetzt wird.

Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalt: Bei der Zuwendung einer Immobilie kann es sich empfehlen, dass der Schenker sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehält. Dabei wird der Beschenkte zwar Eigentümer, kann aber die Immobilie selbst nicht bewohnen oder vermieten. Die Nutzungen stehen
allein dem Schenker zu. Alternativ kann auch ein Wohnrecht des Schenkers vereinbart werden. Allerdings kann der Wohnrechtsinhaber die Immobilie nicht ohne Weiteres vermieten. Die Gestaltung der Rechte sollte je nach Ziel sorgfältig erwogen werden.

Schuldübernahme oder Rentenzahlung als Gegenleistung: Ist eine Immobilie zum Zeitpunkt der Übergabe noch mit Verbindlichkeiten belastet, kann vereinbart werden, dass diese vorhandene Schuld vom Erwerber übernommen wird. Benötigt der Schenker Geld, um seinen Lebensunterhalt zu verbessern, kann er mit dem künftigen Eigentümer eine Rente vereinbaren. Über Höhe und Laufzeit der monatlichen Zahlungen können die Vertragspartner frei entscheiden.

Rückabwicklungsvorbehalte: Durch die Aufnahme von Rückabwicklungsvorbehalten soll die Kontrollmöglichkeit für den Veräußerer über den übertragenen Grundbesitz erhalten bleiben. Der Schenker kann sich bei der Übergabe von Grundbesitz vorbehalten, das übertragene Anwesen wieder zurückzufordern, wenn bestimmte Umstände wie der Verkauf der Immobilie eintritt. Es ist im Einzelfall zu prüfen, für welche Interessenlage ein Rückforderungsrecht geregelt werden und ausgestaltet werden soll.

Berücksichtigung weichender Erben: Die Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten führt dazu, dass die ausgegliederten Vermögenswerte im Zeitpunkt des Todes nicht mehr in den Nachlass fallen. Bei der Verteilung des Nachlasses steht dieser Vermögenswert nicht mehr zur Verfügung. Die sogenannten „weichenden Erben“, die Geschwister, die zu Lebzeiten keinen Vermögenswert erhalten haben, sind daher unter Umständen benachteiligt. Diese Ungleichbehandlung kann vertraglich geregelt und zum Beispiel durch Zahlung einer Abfindung an die Geschwister vermieden werden.

Eine der häufigsten Auseinandersetzung im Erbrecht ist die zwischen Erbe- und Pflichtteilsberechtigten, weshalb eine Pflichtteilsanrechnungklausel in den Übergabevertrag aufgenommen werden sollte. Auch ist zu beachten, dass das Erbrecht diverse Ausgleichungspflichten unter Geschwistern vorsieht, die im Falle einer Schenkung zu beachten sind.

Fazit: Die Möglichkeiten einer vorweggenommenen Erbfolge sind vielfältig – in jedem Fall empfiehlt es sich, im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen und rechtlichen Fallstricke die Ausgestaltung der Verträge anwaltlich begleiten zu lassen.

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