Streit ums Erbe im Erbscheinsverfahren

Erbstreitigkeiten werden häufig im Rahmen eines Erbscheinverfahrens vor dem Nachlassgericht ausgetragen. Ein Erbscheinsverfahren kommt dann in Gang, wenn ein Erbe seine Rechtsstellung Dritten gegenüber nachweisen muss und hierfür einen Erbschein beantragt. Mit einem Erbschein kann man nachweisen, dass man alleine oder mit anderen Personen zusammen Erbe ist und welchen Anteil man geerbt hat (Erbquote). Insbesondere in den Fällen, in denen der Erblasser zur Regelung seiner Erbfolge ein Testament hinterlassen hat, fühlen sich Familienmitglieder
zuweilen zu Unrecht vom Erbe ausgeschlossen. Grundsätzlich ist der Inhalt des Testamentes von allen Beteiligten als letzter Wille des Erblassers zu akzeptieren. Anders sieht es allerdings aus, wenn die Betroffenen Hinweise darauf haben, dass es bei der Errichtung des Testamentes durch den Erblasser nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Wem der Nachlassrichter ein Erbschein ausstellt hängt meist auch von der Auslegung eines Testaments ab.

Wann ist ein Testament unwirksam und was geschieht dann?

Schon aus rein formalen Gründen ist ein persönliches Testament dann unwirksam, wenn es nicht in der Handschrift des Erblassers, nicht vollständig handschriftlich oder in Maschinenschrift verfasst worden ist. Wenn der Erblasser wegen seines Alters
oder einer Krankheit nicht mehr testtierfähig war, kann ein Testament ebenfalls unwirksam sein. Wenn Verdachtsmomente bestehen, dass der Erblasser aufgrund einer Erkrankung (z. B. Demenz) im Augenblick der Testamentserstellung nicht testierfähig war, dann sind diese dem Nachlassgericht gegenüber darzulegen. Das Gericht kann die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserstellung prüfen, indem es Zeugen wie nahe Verwandte oder Bekannte sowie den Notar oder behandelnde Ärzte hinzuzieht. Dabei werden alle Zeugen, die von Berufs wegen der Schweigepflicht unterliegen, durch das Gericht von dieser befreit, um die Testierfähigkeit des Erblassers klären zu können. Weitere Beweise für eine mögliche Testierunfähigkeit sind neben dem Testament auch Dokumente, welche die Krankheit darstellen, z. B. Kranken- und Pflegeakten sowie die Betreuungsakte. Entscheidend ist in solchen Verfahren oftmals auch die Hinzuziehung eines Gutachters, welcher zur Testierfähigkeit Stellung nehmen muss. In diesen Fällen ist ein vorher erstelltes, wirksames Testament ausschlaggebend oder es tritt bei nicht Vorhandensein eines wirksamen Testaments die gesetzliche Erbfolge ein.

Wann kommt eine Testamentsanfechtung in Betracht?

Eine Anfechtung des Testaments kommt nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht. Ein Anfechtungsgrund kann darin bestehen, dass der Erblasser bei der Erstellung des Testaments ein Fehler gemacht hat, da er sich verschieben hat, einen Namen verwechselte oder ein anderweitiger Irrtum vorliegen könnte. So berechtigt z. B. auch ein Motivirrtum, der dann gegeben ist, wenn der Erblasser sein Testament in Annahme einer Tatsache verfasst, welche nicht mehr oder doch nicht vorliegt bzw. eingetreten ist. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Erblasser davon ausgeht, dass ein verlobtes Paar heiraten wird, die Hochzeit dann aber doch nicht stattfindet. Es muss jedoch von den Erben dargelegt werden, dass der Erblasser anders testiert hätte, hätte er von den tatsächlichen Umständen gewusst. Ein weiterer Anfechtungsgrund ist eine arglistige Täuschung, Drohung oder Erpressung bei der Testamentserstellung. Ein nicht so bekannter Grund für Testamentsanfechtung besteht im Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten. Dieser Fall tritt ein, wenn der Erblasser beim Verfassen des Testaments einen Pflichtteilsberechtigten schlichtweg übergeht oder zum Zeitpunkt des Verfassens von dessen Existenz nichts gewusst hat. Das Gesetz vermutet an dieser Stelle, dass der Erblasser ein anderes Testament erstellt hätte, wenn er von der Existenz z. B. seines Kindes gewusst hätte. Die Anfechtung muss formgerecht und innerhalb der Anfechtungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Die erfolgreiche Anfechtung des Testaments kann zu einer neuen Erbfolge führen.

Die Auslegung von Testamenten:
Im Erbscheinsverfahren kann aber auch über die Erbfolge aufgrund wirksamen Testament gestritten werden. Dann geht es um die richtige Auslegung der Verfügungen. Gerade von Laien formulierte handschriftliche Testamente sind häufig unklar bzw. mehrdeutig, insbesondere, weil erbrechtliche Begriffe falsch verstanden bzw. verwendet werden. Bei der Auslegung von Testamenten ist der tatsächliche Wille des Erblassers in dem Augenblick, indem er das Testament erstellt hat, maßgeblich. Auch ein bereits erteilter Erbschein steht einer späteren Auslegung durch das Nachlassgericht nicht entgegen. Erweist sich dieser als unrichtig, wird er kraftlos und ist nachträglich einzuziehen. Gerade die Testamentsauslegung ist ein komplexes juristisches Feld indem verschiedene Methoden und gesetzliche Regelungen angewendet werden um den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Gemeinsam mit dem Mandanten ermitteln wir den Sachverhalt und stellen die Rechtslage entsprechend dar. Durch eine aktive Interessenwahrnehmung können Sie auch im Erbscheinsverfahren günstige Ergebnisse erzielen.

Autorin: Lisa-Katharina Köster, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht und Testamentsvollstreckerin, Kanzlei77 – Kanzlei Dr. Braun GmbH

09.2022 – KL Artikel – Streit ums Erbe

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