
Autor: Rechtsanwältin Claudia Heise
Das Verschulden an einer nicht mehr funktionierenden Ehe wird heutzutage bei einer Scheidung vom Gericht weder ermittelt noch geprüft.
Ausschlaggebend ist allein, ob nach Ansicht des Gerichts die Ehe als zerrüttet angesehen werden kann, hierfür gelten entsprechende gesetzliche Fristen.
Spätestens nach dreijährigem Getrenntleben wird endgültig angenommen, dass die Ehe gescheitert ist. Aber schon nach einjährigem Getrenntleben ist unter der Voraussetzung, dass beide Ehegatten geschieden werden wollen, davon auszugehen, dass diese Ehe keine Zukunftsperspektive mehr hat.
Der Ablauf des Trennungsjahres ist also Voraussetzung für jede Scheidung. Aber wann leben die Ehegatten wirklich im Sinne des Gesetzes getrennt und wann beginnt das Trennungsjahr?
Laut Gesetz ist das der Fall, wenn keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt; auch innerhalb der ehelichen Wohnung darf getrennt gelebt werden, § 1567 Abs. 1 BGB.
Beginn
Leben die Eheleute nicht in häuslicher Gemeinschaft, sei es, dass sie ihre Ehe grundsätzlich in verschiedenen Wohnungen führen, berufliche Gründe längere Abwesenheiten bedingen oder bei Krankenhausaufenthalten oder Inhaftierung, kann es schwierig sein, den Beginn des Trennungsjahres zu markieren. Hier ist darauf abzustellen, wann der Trennungswille für den anderen erkennbar war.
Es muss unmissverständlich erkennbar sein, dass die eheliche Lebensgemeinschaft beendet werden soll (BGH FamRZ 16,1142), spätestens mit Zugang des Verfahrenskostenhilfeantrages für das Scheidungsverfahren, so das OLG Zweibrücken, Beschl. vom 21.4.2021, Az. 2 UF 159/20 im Falle einer Inhaftierung.
Nicht selten sind die finanziellen Verhältnisse der Eheleute bei einer Trennung sehr angespannt, so dass sie sich nicht sofort getrennte Wohnungen leisten können. Oftmals muss zunächst noch die Erwerbstätigkeit aufgestockt oder eine neue Arbeitsstelle gefunden werden, damit die finanziellen Verhältnisse dann wirklich getrennte Wohnverhältnisse ermöglichen. Trotzdem soll keine Zeit verschwendet werden.
Der Beginn des Getrenntlebens ist ebenso wie die Zustellung des Scheidungsantrages wirtschaftlich für die Eheleute überaus bedeutsam.
Sowohl der Zugewinnausgleich (d.h. die Vermögensauseinandersetzung) als auch der Versorgungsausgleich (d.h. Teilung der Rentenanwartschaften) stellen maßgeblich auf das Datum der Zustellung des Scheidungsantrags ab, der aber erst gestellt werden kann, wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist!
Obwohl die Ehe längst in Schieflage geraten ist, wird eine Scheidung oft nicht in Angriff genommen, trotz der weitreichenden und sehr einschneidenden Konsequenzen, da die gesamten Rentenanwartschaften für die gesamte Ehedauer, also bis zur Zustellung des Scheidungsantrages, geteilt werden. Die Nachteile hat der Besserverdienende, er gibt die Hälfte seiner Rente ab und bekommt von seinem Ehepartner nur die Hälfte von dessen Rente.
Für den Zugewinnausgleich sind die Eckdaten der Zeitpunkt der Eheschließung und die Zustellung des Scheidungsantrages.
Weiterhin hat jeder Ehepartner ein Recht darauf vom anderen zu erfahren, über welches Vermögen er zum Trennungszeitpunkt verfügt hat. Sollte Vermögen verschwendet oder ohne besonderen Grund verschenkt worden sein, kann es in den Zugewinnausgleich rein rechnerisch einbezogen werden- so als ob es noch vorhanden wäre (s.a. BGH Beschl. vom 12.11.2014 XII ZB 469/13).
Getrenntleben in der Ehewohnung
Viele Ehepaare beginnen das Trennungsjahr in der Ehewohnung, damit spätestens nach einem Jahr die Scheidung auch eingereicht werden kann. Dabei können Grenzen leicht verwischen, so dass für das Gericht nicht mehr zweifelsfrei feststeht, dass tatsächlich ein Getrenntleben im Sinne des Gesetzes stattgefunden hat.
Voraussetzung ist, dass die Wohnbereiche klar gegliedert und aufgeteilt sind, keine gegenseitigen Wirtschaftsleistungen mehr erbracht werden, also weder füreinander gekocht wird, noch die Wäsche gewaschen oder gemeinsam eingekauft wird und auch die sozialen und sexuelle Beziehungen müssen eingestellt werden. Lediglich zu Gunsten und im Interesse der Kinder gibt es Ausnahmen. Das OLG Frankfurt am Main hat hier die Voraussetzungen nun nachgeschärft (Beschl. vom 28.3.2024, Az. 1 UF 160/23): ein „der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung“ ist zu beachten, wenn Eheleute noch im selben Haushalt leben und teilweise auch den Alltag im Hinblick auf die gemeinsamen Kinder und deren Bedürfnisse teilen. Ein „freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten miteinander“ stehe der Trennung mit Rücksicht auf die Kinder nicht entgegen, so das OLG.
Tatsächlich wird unter Umständen – wenn Unklarheiten bestehen – und wenn das Gericht Zweifel am Getrenntleben hat, Beweis erhoben und hierzu werden Zeugen befragt.
Sollte das Trennungsjahr also noch nicht abgelaufen sein, weil es doch noch Gemeinsamkeiten gegeben hat, muss die Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahres erneut beantragt werden. Die Kosten gehen zulasten desjenigen, der sie eingereicht hat und zwar auch die Kosten der Gegenseite, also des Ehepartners, der möglicherweise sogar einen Anwalt beauftragt hat. In der Konsequenz also mit weitreichenden finanziellen Folgen.
Versöhnungsversuche
Versuchen es die Eheleute doch noch einmal miteinander über einen kürzeren Zeitraum, wird das Trennungsjahr grundsätzlich nicht unterbrochen, da jede Ehe eine Chance verdient.
Entscheidend sind die jeweiligen Begleitumstände und die tatsächliche Dauer.
Oft steht schon nach kurzer Zeit für beide fest, dass die Scheidung doch unausweichlich ist.
Der BGH geht davon aus, dass ein Versöhnungsversuch von bis zu drei Monaten unschädlich ist und das Trennungsjahr nicht unterbricht.
Unzumutbare Härte
In Ausnahmefällen kann das Trennungsjahr verkürzt werden, sofern es so schwerwiegende Vorfälle gegeben hat, die den Ablauf des Trennungsjahres unzumutbar erscheinen lassen.
Scheidungswillige sollten rechtzeitig anwaltlichen Rat einholen und sicherstellen, dass ein zweifelsfreies Trennungsjahr tatsächlich stattfindet, auch und gerade wenn beide noch in der gemeinsamen Wohnung leben und es zwischendurch eine Wiederannäherung gegeben hat oder wenn es in vermögensrechtlicher Hinsicht für sie bedeutsam ist.
Autorin: Claudia Heise, Rechtsanwältin, Mediatorin, Kanzlei77 – Kanzlei Dr. Braun GmbH, Hauptstr. 83a, 77652 Offenburg