Die Zeit-Online titelte am 9. Februar 2018 mit der Überschrift »Grundstückseigentümer haftet für Brandschaden am Nachbarhaus«. Sie bezog sich mit dem überraschenden Headliner auf eine Entscheidung des BGH vom 8. 2. 2018 (Az. V ZR 311/16), die für einigen Wirbel in der Fachwelt sorgte. Auch in den Ratgeber-Foren des Internets fielen die Kommentare der User überwiegend negativ und teilweise sehr vorwurfsvoll gegen die Richter des höchsten Zivilgerichts aus. Was war der Inhalt der Entscheidung? Ist die Kritik daran berechtigt und kann man sich als Eigentümer eines Grundstücks vor dem Risiko der Inanspruchnahme schützen?
Der Fall: Eine Eigentümerfamilie ließ von einer Fachfirma am Flachdach ihres Hauses Reparaturarbeiten durchführen. Im Rahmen von Heißklebearbeiten verursachte der Handwerker schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den Dachbahnen. Das Haus geriet in dem Bereich, in dem der Handwerker gearbeitet hatte, in Brand. Durch diesen Brand und die Löscharbeiten wurde das unmittelbar angebaute Nachbarhaus erheblich beschädigt. Die Versicherung der geschädigten Nachbarin leistete an diese eine Entschädigung und ging in gleicher Höhe dann gegen den von der Nachbarfamilie beauftragten Handwerker vor. Dieser allerdings meldete Insolvenz an, bei ihm konnte also kein Schadenersatz mehr beigetrieben werden.
Das Urteil: Das Landgericht und das Oberlandesgericht als Berufungsgericht lehnten eine Verpflichtung zur Zahlung an die Versicherung ab; der BGH verurteilte die Nachbarn aber tatsächlich zur Zahlung an die Versicherung. Der BGH bejahte einen sogenannten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach den §§ 1004, 862 BGB unter Hinweis darauf, dass es auf ein Verschulden des Nachbars, etwa bei der Auswahl des Handwerkers oder der Überwachung desjenigen, gerade in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 BGB nicht ankomme. Der Eigentümer, von dessen Gebäude der Brand ausgehe, ist, so der BGH in der Entscheidung vom Februar 2018, im Rahmen einer Sicherungspflicht für die Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen des Nachbarn verantwortlich. Der Auftrag an den Handwerker entspreche der Schaffung der Gefahrenquelle. Der Nachbar könne ohne Einwirkungsmöglichkeit nur zusehen, wie sein Gebäude beschädigt wird. Deshalb sei er – so der BGH – zu entschädigen. Der bittere Beigeschmack des entschiedenen Falls liegt zum einen in der Haftung ohne Verschulden der Eigentümer und zum anderen darin, dass eigentlich der Handwerker durch sein Fehlverhalten hätte zahlen müssen, aufgrund der Insolvenz jetzt nichts mehr zahlt. Der BGH hat hierzu festgestellt, dass es eine vorrangige Inanspruchnahme des Handwerkers wegen dessen Verschulden in diesem Fall nicht gibt. Die Schadenersatzansprüche gegen den Handwerker stehen gleichrangig neben dem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch.
Hintergrund: Aus rechtlicher Sicht ist die inhaltliche Kritik an der Entscheidung nicht berechtigt, da der BGH in diesem Fall nichts »Neues« entschieden hat. Er hat auf die seit langem bestehende Rechtslage bezüglich des verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Entschädigungsanspruchs verwiesen und dabei klargestellt, dass es Sachgründe geben muss, dem Nachbar die Verantwortung aufzuerlegen wie etwa die Beauftragung eines Handwerkers im entschiedenen Fall. Nachdem der nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch verschuldensunabhängig ist, besteht für den Eigentümer keine rechtliche Möglichkeit, sich dem Anspruch zu entziehen. Die vertragliche Gestaltung mit dem beauftragten Handwerker schützt ebenfalls grundsätzlich nicht vor der Haftung. Es ist dem Grundstückseigentümer und dem beauftragten Fachunternehmen vor Durchführung der Werkarbeiten zu raten, mit den jeweiligen Versicherern zu prüfen, wie das Haftungsrisiko verringert werden kann.