Autor: Rechtsanwalt Markus Reichel
Gewerbemieträume: Geschäftsinhaber haben Aussicht auf Entlastung
Wegen der rasanten Ausbreitung des CoronaVirus und den damit verbundenen staatlichen Anordnungen zur Schließung von Geschäftsräumen stellt sich für viele Gewerbetreibende die Frage, wie sie mit der Miete für ihre Geschäftsräume umgehen sollen. Insbesondere, ob sie auch während der erzwungenen Schließungen die volle Miete bezahlen müssen. Große Unternehmen haben bereits angekündigt, Mietzahlungen für ihre Ladengeschäfte vorläufig einzustellen.
◼ Maßnahmen des Gesetzgebers: Während es in anderen Ländern wie Österreich bereits seit Längerem gesetzliche Regelungen zum Umgang mit Mietverträgen während einer Krisensituation gibt, fehlten in Deutschland bisher solche Gesetze. Der Bundestag hat am 27. März das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID19-Pandemie beschlossen, das in Teilen auch Mietverhältnisse über Gewerberaum betrifft. Hiernach kann einem Mieter von Gewerberaum – wenn dieser die fällige Miete aufgrund der Folgen des Coronavirus für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020, nicht bezahlen kann – keine Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausgesprochen werden. Für den Mieter bedeutet das, dass er grundsätzlich auch nach dem neuen COVID19-Gesetz weiter zur Zahlung der vollen Miete verpflichtet bleibt. Das Gesetz sagt nichts darüber aus, ob gemindert oder reduziert werden kann.
Das Gesetz ist daher für die Mieter von Gewerberaum unzureichend, da Vermieter zwar zunächst nicht wegen Rückständen von April bis Juni 2020 kündigen können, die Mieter jedoch trotzdem in Zahlungsverzug geraten und insbesondere Verzugszinsen (neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) schulden. Eine Stundung von Mieten erfolgt im Gewerberaum-Mietrecht daher gerade nicht.
◼ Durchführung einer Mietminderung: Für Gewerbetreibende stellt sich daher die Frage, ob die Miete für die Geschäftsräume während der Zwangsschließung gemindert werden kann. Eine Minderung ist grundsätzlich immer dann möglich, wenn der Mietsache ein Mangel anhaftet. Hier denkt man üblicherweise an Schimmelschäden oder defekte Heizungsanlagen. Ein Mietmangel kann aber auch dann gegeben sein, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum bestimmungsgemäßen Gebrauch wegen äußerer Umstände – wie behördliche Einschränkungen – aufgehoben ist.
Bei in der Vergangenheit erlassenen gesetzlichen Verboten hat die Rechtsprechung bisher größtenteils zu Ungunsten der Mieter geurteilt und eine Mietminderung abgelehnt, wie etwa bei der Einführung von Regelungen zum Nichtraucherschutz. Hier hatte nach Einführung des Rauchverbotes in RheinlandPfalz ein Gaststättenbetreiber wegen des möglichen Ausbleibens von Rauchern einen Mangel gesehen und den Verpächter auf Schadensersatz verklagt. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall einen Mangel der Pachtsache jedoch verneint (BGH, Urteil vom 13.07.2011, Az. XII ZR 189/09).
Die vorliegende Situation unterscheidet sich von vergangenen Betrachtungen dadurch, dass die nun vorherrschende Viruspandemie kaum voraussehbar war und plötzlich auftrat. Anders war es beim Rauchverbot, das sich durch einen Gesetzgebungsprozess und eine gesellschaftliche Diskussion über mehrere Jahre hinweg ankündigte. Ob in der gegenwärtigen Situation eine Mietminderung gegeben ist, wird in der Fachliteratur bereits leidenschaftlich diskutiert. Es gibt jedenfalls gute Argumente für eine Minderung, da sich aufgrund der behördlichen Verbote, Mieträume in vielen Fällen nicht mehr zu dem Zweck nutzen lassen, zu dem sie angemietet worden sind. Hierzu ist allerdings die Prüfung des jeweiligen Mietvertrages und der dort getroffenen Regelungen notwendig, insbesondere die Frage, ob der Vermieter sich vertraglich verpflichtet hat, dass die Mieträume sich für den Betrieb eines bestimmten Gewerbes eignen.
◼ Herabsetzung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage: Für den Fall, dass eine Mietminderung ausscheiden sollte – etwa weil Regelungen zum Verwendungszweck im Mietvertrag fehlen – kommt auch eine Reduzierung der Miete durch den sogenannten Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsmittel, das in bestimmten Fällen die Anpassung von Verträgen und Vertragsinhalten ermöglicht. Dann, wenn eine Situation eintritt, die die Parteien nicht vorhersehen konnten und die sich gravierend auf eine oder beide Parteien auswirkt.
Gerade Gewerbetreibende stehen derzeit vor dem Problem, dass sicher geplante Umsätze aufgrund geschlossener Läden, der Unterbrechung von Lieferketten oder der Erkrankung von Mitarbeitern, ausbleiben. Daher sind mitunter laufende Forderungen nur noch schwer zu stemmen. Die Miete für den angemieteten Gewerberaum stellt hierbei regelmäßig eine kostenintensive Position dar.
Nach der bisherigen Rechtsprechung wurde das wirtschaftliche Risiko einer Unternehmung zu einem großen Teil dem Mieter zugeschrieben. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass er verpflichtet ist, sein Unternehmen und dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit selbst einzuschätzen und hiernach zu handeln.
Allerdings konnten kein Gewerbetreibender und auch kein Vermieter mit dem Auftreten einer flächendeckenden und weltweiten Virus-Pandemie rechnen, die sowohl das öffentliche Leben wie auch die Wirtschaft zu einem großen Teil einschränken würde. Insbesondere die derzeitigen Rechtsverordnungen der Bundesländer, wonach Einkaufsläden für mehrere Wochen, Restaurants Kneipen und Cafés sogar für mehrere Monate geschlossen bleiben müssen, waren beim Abschluss der Mietverträge kaum denkbar. Insofern ist daran zu denken, dass Gewerberaummieter wegen der besonderen Umstände berechtigt sind, eine Reduzierung der monatlich geschuldeten Miete zu fordern. Eine juristische Prüfung im Einzelfall ist jedoch unerlässlich.