Eine Enterbung ist oft der letzte Schritt nach einer langen Geschichte von Streit, Missverständnissen, Enttäuschung und Entfremdung. Aber: Auch wer enterbt ist, hat Rechte.
Wer kann enterbt werden? Jeder gesetzliche Erbe kann von der Erbfolge durch den Erblasser ausgeschlossen werden. Zu den gesetzlichen Erben zählen unter anderem Ehegatten, Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister, Großeltern sowie Onkel und Tanten. Zwischen ihnen existiert eine Rangfolge – sogenannte Ordnungen –, das heißt: nicht alle genannten haben gleichzeitig auch einen durchsetzbaren Anspruch auf das gesetzliche Erbe. Mit dem Erblasser nähere Verwandte schließen bei der gesetzlichen Erbfolge entferntere Verwandte von deren Erbfolge aus. Zunächst erben die Erben der ersten Ordnung (Abkömmlinge). Gibt es keine Erben der ersten Ordnung, wird der Nachlass unter den Erben der zweiten Ordnung (Eltern und Geschwister) aufgeteilt und so weiter.
Dem Ehegatten steht neben den Erben der verschiedenen Ordnungen ein Erbanteil zu. Die Höhe richtet sich nach der Ordnung der miterbenden Verwandten und dem Güterstand der Ehegatten.
Wie kann enterbt werden? Grundsätzlich ist jeder Mensch frei in seiner Entscheidung, wen er als Erben einsetzt und wen er enterbt. Der Erblasser kann alleine in einem Testament, gemeinsam mit seinem Ehegatten in einem Berliner Testament oder in einem Erbvertrag enterben. In Testament oder Erbvertrag muss der Erblasser verfügen, dass eine oder mehrere Personen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden. Daneben gibt es die Möglichkeit, dass der Erblasser einen oder mehrere als Erben explizit benennt. Die nicht genannten sind dann automatisch enterbt.
Welche Folgen hat eine Enterbung? Bei einer Enterbung besteht kein Anspruch auf das Erbe. Jemanden zu enterben bedeutet aber nicht, dass diese Person völlig leer ausgeht. Als Pflichtteilsberechtigter bestehen Ansprüche. Pflichtteilsberechtigt sind Kinder, Ehegatten und die Eltern des Erblassers, sofern der Erblasser keine Kinder hatte. Enkel und Urenkel haben nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind und deren Eltern nicht mehr leben. Geschwister und Großeltern des Erblassers sind nicht pflichtteilsberechtigt.
Wer enterbt ist, muss den Pflichtteil gegenüber den Erben geltend machen. Wird der Pflichtteil nicht rechtzeitig eingefordert, kann Verjährung eintreten. Die Frist beläuft sich auf drei Jahre. Sie beginnt in der Regel am 1. Januar des Jahres, das auf den Todestag folgt. Der Pflichtteilsberechtigte muss außerdem von der Enterbung erfahren haben.
Wie wird beim Einfordern des Pflichtteilsanspruchs vorgegangen? Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen reinen Geldanspruch. Ansprüche auf Gegenstände, wie etwa Gemälde oder Immobilien des Erblassers, bestehen nicht. Für das Einfordern des Pflichtteils wendet man sich schriftlich an den Erben. Dabei muss die genaue Höhe der Forderung angegeben werden.
☛ Für die Berechnung des Pflichtteils wird die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils veranschlagt. Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil ist der volle Wert des Nachlasses abzüglich Verbindlichkeiten wie etwa Beerdigungskosten.
☛ Zur Ermittlung des Nachlasses kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Erben
umfangreiche Auskunft zum Nachlass einfordern. Es ist ein vollständiges Nachlassverzeichnis vorzulegen. Zudem besteht die Möglichkeit, einen Sachverständigen für die Wertermittlung einzelner Nachlassgegenstände wie beispielsweise einer Immobilie hinzuzuziehen. Die durch den Sachverständigen entstehenden Kosten sind vom Erbe aus dem Nachlass zu bezahlen.
☛ Der Pflichtteil kann ergänzt werden: Hat der Erblasser vor seinem Tode sein Vermögen ganz oder zum Teil verschenkt, hat
der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Er kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Schenkung gestanden hätte – er bekäme also mehr Geld. Der Anspruch besteht nur, wenn zwischen Schenkung und Erbfall nicht mehr als zehn Jahre liegen.
Eine Schenkung wird in Stufen zur Ergänzung des Pflichtteils herangezogen. Im Jahr vor dem Todesfall fließt sie in voller Höhe ein und in jedem weiteren Jahr schmilzt sie jeweils um zehn Prozent. Hat der Erblasser zu Lebzeiten zum Beispiel ein Grundstück verschenkt, beginnt die Zehnjahresfrist mit der Umschreibung im Grundbuch. Behält sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstückes ein Wohnrecht an diesem oder an einem Teil daran vor, so kann hierdurch der Beginn des Fristenlaufs ausnahmsweise gehemmt sein.
Bei Schenkungen an den Ehegatten, endet die Frist erst zehn Jahre nach Ende der Ehe. Bestand die Ehe zum Todeszeitpunkt noch, so gibt es gar keine Frist. Der Erbe muss den Pflichtteil ergänzen, und zwar auch dann, wenn nicht er, sondern ein Dritter beschenkt worden ist.
☛ Weigert sich der Erbe Auskunft zu erteilen oder den Pflichtteil auszuzahlen, sollte dieser vor Gericht eingeklagt werden! Bei Erfolg sind alle dabei anfallenden Kosten vom Erben zu tragen. Entziehung des Pflichtteils: In seltenen Fällen kann enterbten Pflichtteilsberechtigten auch der Pflichtteilsanspruch entzogen werden. Dies muss im Testament/Erbvertrag angeordnet werden und setzt das Vorliegen eines triftigen Grundes voraus. Zum Beispiel, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser nach dem Leben getrachtet oder sonst eine schwere Straftat begangen hat. Unrechtmäßige Enterbung: Es kann sich auch herausstellen, dass die Enterbung gar nicht wirksam ist. Dann muss man sich nicht mit dem Pflichtteil begnügen.
◼ Das Gesetz sieht für die Wirksamkeit eines Testaments/ Erbvertrags strenge Formvorschriften vor. Werden sie nicht eingehalten, können die Verfügungen unwirksam sein.
◼ Es kommt auch vor, dass die letztwillige Verfügung wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten ganz oder zum Teil unwirksam ist. Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann vorliegen, wenn der Erblasser Zuwendungen an einen Begünstigten von höchstpersönlichen Lebensentscheidungen wie etwa Religionswahl, Heirat oder Scheidung abhängig macht.
◼ Wenn der Erblasser testierunfähig war, kann die Enterbung unwirksam sein. In jedem Einzelfall ist zu überprüfen, ob die freie Willensbildung des Erblassers im entscheidenden Zeitpunkt der Errichtung durch Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung ausgeschlossen war. Besonders problematisch ist dies in den immer häufig werdenden Fällen der Demenz.
◼ Darüber hinaus kann ein Testament/Erbvertrag durch Anfechtung beseitigt werden, wenn die im Gesetz vorgesehenen Anfechtungsgründe vorliegen.
Ein Anfechtungsgrund ist der sogenannte Inhalts- und Erklärungsirrtum. Setzt der Erblasser im Testament seine gesetzlichen Erben ein und befindet er sich gleichzeitig über die Frage, wer denn kraft Gesetzes erbberechtigt ist, im Irrtum, so ist das ein Grund für eine Anfechtung.
Auch ein Motivirrtum kann zu Anfechtung führen, wenn der Erblasser eine Person zum Alleinerben in der Annahme einsetzt, dass er sich mit diesem bis zu seinem Lebensende gut verstehen wird und sich beide jedoch noch zu Lebzeiten des Erblassers zerstreiten.
Ein weiterer Anfechtungsgrund liegt vor, wenn es aufgrund widerrechtlicher Drohung von Dritten zur Abfassung des Testamentes kam.