Bei Abfindungen ist grundsätzlich zu beachten, dass sie nicht doppelt verwertet werden können. Entweder werden sie bei der Berechnung des Unterhalts oder im Rahmen des Zugewinnausgleiches berücksichtigt. Im Folgenden musste das saarländische Oberlandesgericht entscheiden, ob die hier erfolgte Abfindung als Lohnersatz zur Deckung des eigenen Unterhalts dient oder als Zugewinn anzusehen ist.
Die kinderlosen Eheleute hatten sich 2018 getrennt und gegenseitig keinen Unterhalt geltend gemacht. Kurz vor der Trennung hatte der Mann im Alter von 55 Jahren eine Abfindung i. H. v. EUR 153.000,00 netto aus der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses als Elektriker bekommen, ohne sich im Anschluss eine neue Arbeit zu suchen. Von dieser Summe waren zum Stichtag für den Zugewinnausgleich noch EUR 90.000,00 vorhanden – eine Summe, die der Mann nur sehr ungern teilen wollte. Er argumentierte damit, dass die Abfindung eine „Lohnersatzfunktion“ gehabt habe und dass er sie für seinen Lebensunterhalt bis zur Rente im Dezember 2023 benötige.
Damit kam er dennoch nicht durch, denn unterhaltsrechtlich hatte er eine „Erwerbsobliegenheit“, das heißt, er hätte sich Bewerben müssen, um seinen eigenen ehelichen Bedarf durch eine Erwerbstätigkeit zu decken. Das er seit der Trennung unbestritten keinerlei Erwerbsbemühungen betrieben und außergerichtlich der Ehefrau sogar explizit angekündigt hatte, dies nicht tun zu wollen, war nicht schutzwürdig, dabei kam ihm auch nicht zugute, dass er die Entscheidung, als 55-Jähriger bereits aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, noch vor der Trennung getroffen hatte. Die Trennung war diesbezüglich ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“. Deshalb hatte in seinem Fall die Abfindung keine Lohnersatzfunktion, sondern war ein Vermögenswert, der – soweit er am Stichtag noch vorhanden war – im Rahmen des Zugewinnausgleichs geteilt werden musste.
Hinweis: Das „Doppelverwertungsverbot“ ist immer dann zu prüfen, wenn es Überscheidungen und zwischen Einkommen und Vermögen geben kann, so z. B. bei einer Firmenbewertung.
Quelle: Saarländisches OLG, Beschluss vom 11.01.2022 – 6 UF 91/21
Autorin: Lisa-Katharina Köster, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht, Testamentsvollstreckerin, Kanzlei77 – Kanzlei Dr. Braun GmbH, Spitalstr. 2a, 77652 Offenburg