Autor: Rechtsanwalt Markus Reichel
Bei Auffahrunfällen gilt der Grundsatz, dass der auffahrende Autofahrer (bzw. dessen KFZ-Haftpflichtversicherung) voll für die entstehenden Unfallschäden haftet. Es kommt hier ein sog. Anscheinsbeweis zum Tragen, nachdem vermutet wird, dass dem Auffahrenden ein Sorgfaltsverstoß zur Last zu legen ist, z.B. zu dichtes Auffahren oder aber Unaufmerksamkeit.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat nun in einem Urteil entschieden, dass dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn der Vordermann abrupt abbremst (OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.04.2017, Az. 9 U 189/15).
In dem zugrundeliegenden Fall hat ein Fahrzeugführer eine starke Bremsung nahe einer Verkehrsinsel durchgeführt, es blieb aber im Unklaren, ob es die konkrete Notwendigkeit für die Bremsung gab oder diese grundlos erfolgte. Diese Frage konnte im Prozess nicht geklärt werden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilte schließlich, dass auch in einem solchen Fall der Auffahrende voll haftet, wenn dieser nicht beweisen kann, dass die Bremsung des vorausfahrenden Fahrzeuges verkehrswidrig war, etwa um einen Auffahrunfall zu provozieren oder um den zu nah auffahrenden Hintermann zu „disziplinieren“.
Da der Auffahrende nicht beweisen konnte, dass der Vordermann sich durch dessen abrupte Bremsung verkehrswidrig verhalten hat, haftete der Auffahrende voll für die Unfallschäden.