Autor: Rechtsanwältin Claudia Heise
Wenn die Risse in den Familienbeziehungen zu Gräben werden, ist Geld die Währung, mit der jedes Zuwenig aufgewogen wird. Wie viel bekomme ich vom Erbe und hätte ich nicht Anspruch auf viel mehr? Wie verhindere ich, dass bestimmte Familienangehörige überhaupt etwas bekommen?
Das Erbrecht regelt nur Quoten und nicht, wer was bekommen soll. Vor diesem Hintergrund ist der Streit um eine gerechte Aufteilung schon vorprogrammiert. Selten wird ausschließlich Geld hinterlassen. Unser Erbrecht geht von der Universalsukzession aus. Sprich: Das Vermögen geht als Ganzes auf eine oder mehrere andere Erben über. Dazu gehört nicht nur die Immobilie oder das Aktiendepot, sondern auch viel Kleinteiliges wie Möbel, Antiquitäten ,Hunde und Katzen oder besondere Erinnerungsstücke.
Ohne einen “letzten Willen“ erbt der Ehepartner und die eigenen Kinder und falls keine Kinder vorhanden sein sollten, die eigenen Eltern, Geschwister oder weiter entfernte Verwandte. Hier oft der erste Irrtum: Langjährige Lebenspartner sind keine Verwandten und werden in der gesetzlichen Erbfolge nicht berücksichtigt. Das hat weitreichende steuerliche Folgen, da – bei einer Berücksichtigung im Testament – lediglich ein Freibetrag von 20.000 € zugestanden
wird und darüber hinausgehende Werte der Erbschaftssteuer unterliegen.
Das Testament in der Praxis
Durch ein Testament kann in sehr viel präziserer Form geregelt werden, wer wirklich was und vor allem wie viel bekommen soll; ebenso Lösungen aus der Erbrechtssteuerfalle. Voraussetzung ist, dass ein Testament strategisch klug geplant wird und nicht ein Sammelsurium von Einzelbestimmungen und Zuweisungen einzelner Gegenstände darstellt, was leider oft der Fall ist und einen kostenträchtigen Erbstreit vorprogrammiert.
Als oberste Regel gilt, einen oder mehrere Erben klar und präzise im Testament zu benennen. Dadurch steht sofort fest, wer im Erbschein steht. Außerdem fallen alle Gegenstände, die nicht explizit an anderer Stelle erwähnt werden, dem/den Erben zu.
Das Vermächtnis: Hierbei werden einzelne Gegenstände bestimmten Personen zugedacht. Die Vermächtnisnehmer werden keine Erben und niemals Teil der Erbengemeinschaft.
Keine Erbengemeinschaften
Hier setzt die nächste Regel ein: Gerade bei zu vererbenden Immobilien sollte möglichst eine Erbengemeinschaft vermieden werden. Aufteilung, Verwertung, Verkaufszeitpunkt und angestrebter Erlös ufern schnell in einen sehr kostenträchtigen Streit aus.
Hier ist bei der Abfassung des Testaments Präzision gefragt: Eine Regelung aller Fragen kann bereits im Vorfeld im Detail vorweggenommen werden. Der Erblasser kann zum Beispiel bestimmen, in welcher Form und mit welcher Expertise im Vorfeld die Immobilie zu bewerten ist. Anschließend kann in einer vom Erblasser bestimmten Reihenfolge jedem Erben innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens das Recht zugestanden werden, die Immobilie zu dem ermittelten Wert zu übernehmen und eine Ausgleichszahlung an die übrigen Geschwister/Erben zu leisten. Sollte keiner der Erben Interesse an einer Übernahme zu dem vorher vom Sachverständigen ermittelten Wert haben, ist der freie Verkauf als nächster Schritt bereits vom Erblasser festgelegt. Ebenso festgelegt ist, innerhalb welcher Zeitspanne dieser zu erfolgen hat.
Ist jedoch kein Testament vorhanden, nichts geregelt und eine Einigung nicht möglich, kann jeder Erbe einen Antrag auf Versteigerung stellen. Die Konsequenzen sind teuer und unerfreulich.
„Enterbung“ und Pflichtteil
Setzen Eltern also nur eines ihrer Kinder als Erbe ein, werden zwangsläufig die übrigen Abkömmlinge „enterbt“. Juristisch ist das inkorrekt. Ehepartner, Kinder und im Falle des Vorversterbens, deren Kinder oder bei Kinderlosen die eigenen Eltern: sie alle haben einen Anspruch auf einen Pflichtteil. Immerhin handelt es sich noch um die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Vorteil einer solchen „Enterbung“ ist jedoch, dass die Pflichtteilsberechtigten keine Zwangsliquidierung von Immobilien oder anderen Vermögenswerten verlangen können. Sie haben lediglich einen Anspruch auf einen Geldbetrag, nicht aber direkten Zugriff durch Versteigerung.
Das gilt auch für das sogenannte „Berliner Testament“, bei dem sich Ehepartner wechselseitig als Alleinerben einsetzen und als Schlusserben die Kinder. Trotzdem bleibt auch hier das Pflichtteilsrecht der Kinder bestehen, es sei denn, die Eltern verlangen im Vorfeld einen Pflichtteilsverzicht – ersatzlos oder mit Zusicherung einer Erbquote. Manchmal hilft schon die Klausel, dass bei Inanspruchnahme des Pflichtteils die spätere Erbberechtigung entfällt.
Das Erbrecht hält für den Erben Lösungen bereit, um die Pflichtteilsquote erfüllen zu können. Bei Immobilien sind das schnell sehr hohe Beträge, deshalb gibt es die Möglichkeit der Stundung, die beim Nachlassgericht beantragt werden muss. Auf diese Weise wird Zeit für Gespräche mit den Banken gewonnen. In jedem Falle aber eine Zwangsversteigerung vermieden. Ohne ein Testament wäre das sehr viel schwerer und umständlicher zu erreichen.
Pflichtteil einfordern
Und wie kommen die Pflichtteilsberechtigten an ihr Geld? Irrtümlich wird oft davon ausgegangen, dass staatliche Stellen sie unterstützen und für die gerechte Verteilung sorgen. Tatsächlich ist Eigenverantwortung gefragt: Der Pflichtteilsberechtigte muss sich an den Erben wenden und zunächst einmal eine Nachlassaufstellung sämtlicher Werte und entsprechende Belege fordern. Das ist mühsam und erfordert oft schon hier anwaltliche Unterstützung, damit dann die Karten auch wirklich auf dem Tisch liegen und daraus Forderungen abgeleitet werden können. Ein Recht auf Gleichbehandlung innerhalb der Geschwisterfolge gibt es nicht, auch dies ist ein häufiger Irrtum.
Schenkungen und Übergabeverträge
Werden größere Werte und Immobilien bereits vor dem Tode verschenkt oder übertragen, sei es, um die Erbschaftssteuer zu umgehen oder nicht aus eigenem Vermögen das Pflegeheim bezahlen zu müssen, sollte man sich bei der Abfassung der Verträge in jedem Falle juristisch absichern, damit das gewünschte Ergebnis auch erreicht und nicht nur eine Wunschvorstellung mit vorprogrammierten Zerwürfnissen wird. Verarmen die Schenker, holt sich das Sozialamt binnen einer Zehnjahresfrist die Geschenke zurück. Nach der Verjährung werden unter Umständen Kinder, Eltern und Partner im Pflegefall unterhaltspflichtig und ebenfalls zur Kasse gebeten.
Testierfähigkeit
Das beste Testament entfaltet jedoch nicht seine Wirkung, wenn keine Testierfähigkeit mehr zum Zeitpunkt seiner Abfassung bestand. Testierfähigkeit und Geschäftsfähigkeit decken sich juristisch nicht, sodass auch geschäftsunfähige oder unter Betreuung stehende Personen durchaus noch testierfähig sein können. Manchmal wird eine entsprechende Bescheinigung eines Hausarztes verlangt oder Anwälte und Notare treffen im Vorspann des Testaments entsprechende Feststellungen, die jedoch unwirksam sind. Im Streitfall ist diese Frage nur mithilfe eines neurologischen Gutachtens – auch postum – zu beantworten. Die Beweislast und im Zweifel die Kosten trägt derjenige, der die Testierfähigkeit bestreitet.
Form und Verwahrung
Jeder kann ein Testament handschriftlich aufsetzen, muss aber die Formvorschriften der §§ 2247,2267 BGB erfüllen:
Ausstellungsort, Datum, Unterschrift und Lesbarkeit, ansonsten ist es unwirksam. Sinnvoll ist es, die Namen der Erben vollständig mit Geburtsdatum und Anschrift aufzuführen. Bei Auslandsbezug sollte eine Rechtswahl erfolgen, zum Beispiel deutsches Erbrecht gewählt werden, das dann anzuwenden ist. Immer dann, wenn Werte und Immobilien vorhanden sind oder ein besonders ausgefeiltes Konstrukt gewünscht wird, ist der Experte gefragt, sei es der Rechtsanwalt oder Notar.
Auch das beste Testament entfaltet nur seine Wirkung, wenn es nach dem Tode aufgefunden wird. Auf Antrag wird es sicher beim zuständigen Amtsgericht gegen eine Gebühr von 75 € hinterlegt und gegen weitere 18 € im Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer erfasst.
Der Jahreswechsel lässt an die Zukunft denken und was mit dem Vermögen einmal geschehen soll. Mit entsprechender Beratung und Gestaltung können die Familienbeziehungen auch nach dem Erbfall gut sein.
Autorin: Claudia Heise, Rechtsanwältin, Mediatorin, Kanzlei77 – Kanzlei Dr. Braun GmbH, Spitalstr. 2a, 77652 Offenburg